Predigt


Partnerschaftsgottesdienst in der Marienkirche Großenhain
am 20. Sonntag nach Trinitatis, 25. Oktober 2009, Pfarrer i.R. Heinz Aden/Ahlen



Liebe Schwestern und Brüder im Herrn Christus.
Liebe  Großenhainer und Ahlener Freundinnen und Freunde. Liebe Tauffamilie.Liebe Gemeinde insgesamt.
Vor genau 25 Jahren, im Oktober 1984 in den Herbstferien, war eine kleine Delegation aus der Ev. Kirchgemeinde Ahlen erstmalig hier in Großenhain zu Besuch.

Das Ahlener Presbyterium hatte einige Monate zuvor beschlossen, eine offizielle -Partnerschaft -
zur Ev. Marienkirchgemeinschaft zu beginnen.

Diese Absicht war durch einen ähnlichen Beschluss seitens des Kirchvorstand erwidert worden.
Die Ahlener Besucher sollten im Gespräch mit den künftigen Partnern sondieren, welche gemeinsame Fragen und Themen es ergebe, auf welche gemeinsamen Ziele man sich verständigen und wie unter den damals gegebenen Umständen eine Partnerschaft konkret gestaltet werden könne.
Wir saßen zusammen im Gemeinderaum in der heutigen Naundorfer Straße, die damals zu DDR-Zeiten noch August-Bebel-Straße hieß, in der Nr. 33.


In guter Erinnerung habe ich noch den großen Kreis von Interessierten und Mitarbeitenden aus Ihrer Marienkirchgemeinde, ebenso die aufgeschlossene Gesprächsatmosphäre und die warme und tolle Gastfreundschaft, die bis heute geblieben ist, und ich erinnere mich an den großen Kachelofen,  der dem Gemeindesaal Wärme und Gemütlichkeit verschaffte.
Ihr Lieben, niemand von uns konnte damals ahnen, dass fünf Jahre später die Mauer, die uns in Ost und West trennte, fallen sollte und alle Grenzübergänge verschwinden würden.
Die friedliche Revolution, die von vielen beharrlichen DDR- Bürgern gewaltfrei getragen wurde, ist ein wesentlicher Grund für dieses Wunder gewesen.
Auch dafür können wir nur Gott von Herzen dankbar sein.
Mit unserer Gemeindepartnerschaft wollen wir dazu beitragen, Klischees abzubauen und Vorurteile zu überwinden, die Grenze ein wenig durchlässiger zu machen und freundschaftliche Begegnungen zwischen der BRD und der DDR zu ermöglichen, um damit kleine Schritte zum Frieden zu geben.
Uns westdeutschen Christen hat sehr interessiert, mitzuerleben, wie Christen im real existierenden Sozialismus
ihren Glauben lebten und ihr Christsein bewährten.
Mich jedenfalls hat immer beeindruckt, dass die Großenhainer Gemeinde trotz eingeschränkter Raummöglichkeiten, trotz fehlenden Kirchsteuereinzugs, trotz der zahlenmäßig schwachen Minderheitensituation, trotz der gesellschaftlichen und behördlichen Benachteiligungen fröhliche und unverdrossene Gottesdienste feierte und vor allem auch die Kirchmusik zu einem kulturellen Pfeiler geworden und bis heute geblieben ist.
Wenn ich dies  richtig in Erinnerung habe, war die Spendenfreudigkeit z.B. für Brot in der Welt hier in Großenhain pro Gemeindemitglied höher als bei uns in Ahlen.
Mit besonderer Bewunderung denken wir an die Hartnäckigkeit zurück, mit der über einen Zeitraum von 17 Jahren diese Marienkirche innen so glanzvoll renoviert wurde, und dass Ihre Gemeinde großen Wert darauf legte, dieses Werk fast gänzlich aus Eigenmitteln und mit viel Eigenarbeit zu bewerkstelligen;
Eine großartige Leistung, Gott sei es gedankt.
Mit Freude erinnern wir uns an den Festgottesdienst zur Wiedereinweihung, der am 16. September 1990 gefeiert wurde und an dem wir mit 50 Ahlenern teilnehmen durften.


Liebe Gemeinde.
Vieles ist geschehen im Laufe der 25 Jahre.
Freundschaften sind entstanden, langjährige, intensive und tiefe Freundschaften; jährliche Partnerschatsgottesdienste (der erste 1987) mit wechselseitigen Grußbriefen, gemeinsamen Liedern und Gebeten und demselben Predigttext haben stattgefunden, später verbunden mit regelmäßigem Predigerstausch.
Konzerte hüben und drüben wurden durchgeführt, Besuche zwecks Kennenlernen der Gemeinde und deren
 Sehenswürdigkeiten gehören dazu, ebenso gemeinsame Seniorenfreizeiten in Usseln und viele gemeinsame Freizeiten auf Borkum sowie Kontakte zwischen der jungen Gemeinde Großenhain und der Ev. Jugend in Ahlen, eine gemeinsame Rüstzeit von Kirchenvorstand und Presbyterium u.v.m.
Nicht gelungen ist, den Plan einer Dreiecksgemeinschaft zu verwirklichen.
Gedacht war daran, als dritten Partner eine Gemeinde aus der damaligen CCR oder aus Polen dazu zu nehmen, um den Blick über Deutschland hinaus zu öffnen.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden...
Nicht verschweigen will ich, dass zwischendurch einige Male die Partnerschaft in eine Inhalts- und Sinnkrise geriet, dass auf beiden Seiten erwogen wurde, sie auslaufen zu lassen, weil gemeinsame Ziele und die Personen fehlen, die die Partnerschaft tragen und weiterhin mit Leben füllen- so wurde gesagt.
Manche gaben zu bedenken, dass die alte biblische Weisheit aus Prediger 3 -Alles hat seine Zeit...- vielleicht auch für unsere Partnerschaft gelte, dass vielleicht wirklich die Zeit vorbei sei und man die Vergangenheit loslassen sollte
Ich persönlich meine jedoch, dass es sich lohnt, trotz aller Schwierigkeiten und aller Unkenrufe, trotz aller Umbrüche und aller Wechsel auch weiterhin in die Gestaltung der Gemeindepartnerschaft zu investieren – nicht nur aus Freundschafts- und nostalgischen Gründen, sondern weil wir als Christen in Ost und West nach wie vor
genügend Gemeinsamkeiten haben, die uns auch in Zukunft verbinden.

Der Wochenspruch für die vor uns liegende Woche, das Wort zum heutigen Sonntag, könnte eine Perspektive, ein Leitwort sein für die zukünftige Partnerschaft:
Im Buche des Propheten Micha im 6. Kapitel Vers 8 heißt es:
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert; nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“.

Damit sind die Herausforderungen benannt, auf sie es nach wie vor für uns als Kirche ankommt; die Aufgaben, die uns als Christinnen und als Christen in Ost und West, in Großenhain und Ahlen gestellt sind und für deren Bewältigung wir voneinander lernen und uns gegenseitig ermutigen können.
Denn das Christsein im real existierenden Sozialismus erfordert genauso viel, wenn nicht gar mehr Bewährung und Profil, wie sie im real existierenden Kapitalismus nötig waren und jetzt erst recht nötig sind.
Die globalen Anliegen des ökumenischen konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahren der Schöpfung, der seit 1983 viele Kirchen weltweit in Bewegung hält, sind längst nicht passe, sondern immer noch höchst aktuell.
Unser Engagement für die Schwachen und Ausgebotenen, unsere Solidarität mit den Ausgegrenzten und zu kurz Gekommenen, unsere Stimme für die Stummen und Deprimierten, unsere Parteinahme für alle Opfer von Gewalt und Verfolgung, unser unablässiges Werben für Versöhnung und Feindesliebe, unser unbedingter Aufstand für das Leben bleiben unsere gemeinsame Berufung.
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert; nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott !“


Ihr Lieben!
Wir wissen doch lange schon, was gut und richtig ist und was unser Gott von erwartet: dass wir uns nach seinem Wort richten, die 10 Gebote als Richtschnur hochhalten, uns die Seligpreisung und die Bergpredigt Jesu ins Herz schreiben, Nächsten- und Feindesliebe üben durch Werke der Barmherzigkeit und Angebote der Diakonie; dass wir Gottes Wort allen anderen Botschaften und Programmen und Ideologien vorziehen und dass wir vor allem Hochmut der Macht und des Reichtums warnen und in aller Demut Gott den Herrn unseres Lebens und der Welt bleiben lassen.

Wir in Ahlen und Ihr in Großenhein wollen auf diesem Weg bleiben, jeweils in unseren Zusammenhängen und Bedingungen.
Und wir werden merken, dass wir in Ost und West noch genügend neue Feindbilder abbauen und andere Mauern in Köpfen und Herzen überwinden können, dass wir als kleine Minderheit angesichts einer immer größer werdenden nicht kirchlichen Mehrheit so manches Mal verzagen und resignieren werden, dass wir aber vielleicht gerade wegen (!!) unseres Profil als Kirche zu einer einladenden Gemeinde werden, die andere neugierig macht und die für andere Heimat und Geborgenheit bietet, die als missionarische Gemeine auf Menschen zugeht und ein Ort der Versöhnung ist und bleibt.
Und wir werden uns gern daran erinnern, dass wir in Ahlen und Großenhain einander als Partner und Freunde haben, die aufeinander hören und voneinander lernen, sich an- und miteinander freuen und vor allem füreinander beten.

Liebe Schwestern und Brüder.
Die Geschichte hat gelehrt, dass aller Stürme und Anfeindungen von Außen, trotz aller Verzagtheit und Schuld im Innern christlicher Glaube und Kirche nicht verschwunden sind, auch wenn vieles dies beschworen haben oder erzwingen wollten.
Der Stalinismus und der Sozialismus und ebenso der Faschismus haben es nicht geschafft, und auch dem Kapitalismus und dem Neoliberalismus und dem Säkularismus wird dies niemals gelingen.
Denn Gott hat noch viel mit uns als seine Gemeinde vor- für diese Welt und seine Schöpfung:

Deshalb, Gott segne unsere Gemeinden, Gott segne und fördere unsere Partnerschaft!

 
Amen


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